Die Ereignisse in Fatima im Jahre 1917

Viele, auch in „katholischen“ Kreisen, reden schon jetzt viel darüber, wie man das 500-Jahr-Gedenken an die „Reformation“ Luthers im Jahr 2017 würdig begehen könne. Doch kann man hier etwas feiern? War nicht dieses Ereignis eine der folgenschwersten Abspaltungen von der Kirche Christi, oft verbunden mit Gewalttaten oder Verwüstungen von Kirchen und ihren religiösen Schätzen und Kulturgütern, und schließlich gefolgt vom Auseinanderbrechen des christlichen Abendlandes, was nicht nur bis in die grausamen Auseinandersetzungen des dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) hinein weitergewirkt hat, sondern auch die geistige Abwendung von Gott und von einer wirklichen Bemühung um die Wahrheit bei vielen Menschen und schließlich in großen Teilen der Gesellschaft eingeleitet hat? Ein solches Gedenken wird also letztlich nur im Zeichen der Buße, der Selbstbesinnung und der Umkehr würdig und angemessen vollzogen werden können.
Zu Buße und Umkehr ruft auch ein anderes Ereignis den, der nicht nach dem fragt, was die Menschen als „groß“ und „bedeutend“ feiern, sondern was Gott von uns will. 2017 jähren sich auch zum 100. Mal die von der Kirche anerkannten Erscheinungen der Muttergottes in Fatima (Portugal). Auch hier sind wir zur Selbstbesinnung aufgerufen, ob wir wirklich dem entsprochen haben, was Maria uns als Weg und als Hilfe aus der Not und Gefahr unserer Zeit aufgezeigt hat: Gebet, Buße und die Hinwendung zu ihrem unbefleckten Herzen, die sich vor allem auch im täglichen Rosenkranzgebet zeigen soll. Besonders die Not der katholischen Kirche fordert uns heraus, nachzudenken, was auch wir tun können und sollen, um zu erlangen, dass Gott wieder mehr geliebt wird und die Herzen der Menschen wieder zu ihrer wahren Bestimmung zurückfinden.
Werfen wir einen kurzen Blick zurück, so stellen wir fest, dass zwar viele den Bitten Mariens folgten, dass aber auch so manches eingetroffen ist, wovor Maria gewarnt hat, weil ihre Bitten oft auch von viel zu wenigen wirklich gehört worden sind. Heute wird immer mehr klar, dass wir Menschen allein ohne das Gebet und die Hilfe des Himmels die Not der Welt nicht wenden und die Verwirrung, die durch unheimliche Mächte über Kirche und Welt gekommen ist, auch nicht beenden können. Deshalb sollen wir dankbar sein, dass Maria uns zu Hilfe eilt, sie, welche die Jünger Jesu Christi in so vielen Nöten der Kirchengeschichte nie im Stich gelassen hat, wie so viele Zeugnisse und Gebete der Christenheit immer wieder bestätigen!
Oft überraschend tritt die Gottesmutter in unsere Geschichte. So war es auch am 13. Mai 1917, als Maria sich drei Hirtenkindern im kleinen und abgelegenen Weiler Aljustrel in der Nähe des portugiesischen Ortes Fatima zeigte, nämlich Lucia dos Santos, Francisco und Jacinta Marto, und sie bat, bis Oktober jeweils am 13. des Monats wieder zur Erscheinungsstelle zu kommen. Sie flehte bei diesen Erscheinungen immer wieder um Gebet und Opfer für die Sünder, die in Gefahr sind, ewig verloren zu gehen, wünschte die Weihe an ihr Unbeflecktes Herz und versprach ein baldiges Ende des damals noch tobenden ersten Weltkrieges, wenn man ihre Bitten erfülle.
Die Kinder waren von da an ganz bestimmt von der Bemühung, diese Bitten Mariens nach Kräften zu erfüllen. Aber nicht nur sie. Nachdem bekannt geworden, was vorgefallen war, verbreitete sich die Kunde von dem Ereignis rasch. Immer mehr fromme Menschen aus Nah und Fern zog es am 13. der folgenden Monate nach Fatima, um Buße zu tun, um für ihre Anliegen zu beten oder auch nur um zu erfahren, worum es eigentlich bei diesen Erscheinungen ging. Am 13. September 1917 waren schon so große Scharen von Menschen unterwegs, dass man sie kaum mehr zählen konnte, wie ein Augenzeuge damals sagt: „Am Tag vorher war ein schier endloser Schwarm von Menschen bei uns vorbeigekommen, die aus den Dörfern an der Küste stammten… Während der Fahrt war ich tief ergriffen und es kamen mir mehrmals die Tränen, als ich den Glauben und die glühende Frömmigkeit dieser vielen Tausenden sah. Straßen und Wege waren schwarz von Leuten. Es gab keinen Weg und Steg, auch nicht den schmalsten Pfad, auf dem nicht Männer und Frauen der Hauptstraße zueilten. Es war ein Pilgerzug, der wirklich den Namen verdiente und dessen bloßer Anblick schon Tränen der Ergriffenheit auslöste. Nie im Leben habe ich eine so große und feierliche Glaubenskundgebung gesehen. Man sah und hörte absolut nichts, was auch nur im mindesten auf Leichtfertigkeit und Zerstreuung gedeutet hätte“ (Da Fonseca, L. Gonzaga, Maria spricht zur Welt, 7.Aufl., Innsbruck 1948, S. 59f.).
Eines der Seherkinder, Lucia, schrieb später: „Wenn ich jetzt im Evangelium die bezaubernden Szenen lese, wo Jesus durch die Volksmenge schritt, erinnere ich mich immer daran, dass mir der Herr das gleiche auf den armseligen Wegen gezeigt hat, die von Aljustrel nach Fatima und zur Cova da Iria“ (der Erscheinungsstätte) „führen“ (a.a.O., S. 61).
Ein Augenzeuge berichtet über diesen 13. September: „Als die Kinder endlich bei der Steineiche angelangt waren …, forderte Lucia die Umstehenden auf, zu beten. Ich werde niemals den tiefen Eindruck vergessen, als ich so viele tausend Menschen auf die Knie sinken sah (es waren 15 000 – 20 000 Personen anwesend), die weinten und beteten und voll Glauben mit lauter Stimme um die mütterliche Fürsprache der Himmelskönigin flehten“ (ebd., S. 61). „ Genau zur Mittagszeit verminderte sich der Glanz der Sonne“, was „sich seit dem Mai am 13. jeden Monats um dieselbe Stunde wiederholt“ (a.a.O., S. 60), „als plötzlich Jubelrufe ertönten; Tausende von Armen erhoben sich und wiesen gen Himmel. ‚Schau … Dort! Wie schön!’ Zu meiner großen Überraschung sah ich deutlich eine Lichtkugel, die langsam und majestätisch gegen Osten schwebte. Auch mein Freund hatte das Glück, diese unerwartete und bezaubernde Erscheinung zu bewundern“, berichtet der Generalvikar von Leirìa (a.a.O., S. 62).
„Bei diesem fünften Besuch sagte die heiligste Jungfrau zu den kleinen Sehern, sie möchten fortfahren, den Rosenkranz zu beten, um das Ende des Krieges zu erbitten. Dann versprach sie, im Oktober mit dem heiligen Josef und dem Jesuskinde wiederzukommen … Außer der Lichtkugel und der Verminderung der Sonnenstrahlung, die so bedeutend war, dass man ‚den Mond und die Sterne sehen konnte’, begleiteten noch andere Zeichen das geheimnisvolle Zwiegespräch oder folgten ihm. Die Atmosphäre nahm eine gelbliche Färbung an, eine weiße Wolke, die auf eine gewisse Entfernung sichtbar war, umgab die Steineiche und die Seher. Vom Himmel fielen seltsame weiße Flocken, kleinen Blümchen oder Schneeflocken ähnlich, die wenige Meter über dem Erdboden verschwanden. Das letzte Phänomen wiederholte sich mehrere Male, wenn Pilgerzüge zur Cova da Iria kamen, besonders am 13. Mai 1924; es wurde von völlig glaubwürdigen Personen bestätigt, auch vom hochwürdigsten Bischof von Leirìa, der es einmal ganz deutlich mit eigenen Augen sah“ (a.a.o., S. 63f.).
Lucia hatte am 13. Juli 1917 die Dame gebeten, „ihren Namen zu nennen und ein Wunder zu wirken, damit alle an die Erscheinung glauben“ (a.a.O., S. 38). Vor allem ihre Familie hatte Bedenken, und weil der Pfarrer von Fatima einmal meinte, das Ganze könnte auch eine Täuschung des Satans sein, war selbst Lucia eine Zeit lang verunsichert. Die Erscheinung erwiderte damals, „sie sollten nur alle Monate hierherkommen: im Oktober werde sie sagen, wer sie sei, und auch ein großes Wunder wirken, damit alle glauben“ (a.a.O., S. 39). Nach diesem Gespräch kehrte in die Seele der Seher ein tiefer innerer Friede zurück.
An diesem 13. Juli offenbarte Maria den Kindern dann auch drei Geheimnisse, über die sie erst später sprechen sollten. 25 Jahre danach schrieb Lucia „im Gehorsam und mit Erlaubnis des Himmels …: Das Geheimnis bestand in drei verschiedenen Dingen, die aber eng miteinander zusammenhingen; zwei davon werde ich jetzt darlegen, das dritte muß für den Augenblick noch verborgen bleiben“ (a.a.O.,S. 40f.).
Lucia beschreibt dann, wie Maria sie einen kurzen Blick in die Hölle tun ließ: „Wir sahen etwas wie ein großes Feuermeer, und in ihm versunken schwarze, verbrannte Wesen, Teufel und Seelen in Menschengestalt, die fast wie durchsichtige, glühende Kohlen aussahen. Sie wurden innerhalb der Flammen in die Höhe geschleudert und fielen von allen Seiten herab wie Funken bei einer großen Feuersbrunst …; dabei stießen sie so entsetzliche Klagelaute, Schmerzens- und Verzweiflungsschreie aus, daß wir vor Grauen zitterten…Die Teufel hatten die schreckliche und widerliche Gestalt unbekannter Tiere, waren jedoch durchsichtig wie glühende Kohle. Dieses Gesicht dauerte einen Augenblick; und wir müssen unserer gütigen himmlischen Mutter danken, daß sie uns vorher den Himmel versprochen hatte; ich glaube, sonst wären wir vor Schrecken und Entsetzen gestorben… Gleichsam um ihre Hilfe zu erbitten, blickten wir zur Madonna auf; da sagte sie voll Güte und Traurigkeit: ‚Ihr habt die Hölle gesehen, auf welche die armen Sünder zugehen. Um sie zu retten, will der Herr die Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen in der Welt einführen. Wenn man das tut, was ich euch sage, werden viele Seelen gerettet und der Friede wird kommen. Der Krieg geht seinem Ende entgegen; aber wenn man nicht aufhört, den Herrn zu beleidigen, wird nicht lange Zeit vergehen, bis ein neuer, noch schlimmerer beginnt; es wird das während des nächsten Pontifikates (Pius XI.) geschehen: Wenn ihr eines Nachts ein unbekanntes Licht sehen werdet (Lucia glaubte in dem außerordentlichen Nordlicht, das in der Nacht vom 24. zum. 25. Januar in ganz Europa zu beobachten war, das ‚Zeichen Gottes’ zu erkennen …), so wisset, es ist das Zeichen von Gott, daß die Bestrafung der Welt für ihre vielen Verbrechen nahe ist: Krieg, Hungersnot und Verfolgungen der Kirche und des Heiligen Vaters… Um das zu verhindern, werde ich kommen, damit man die Welt meinem Unbefleckten Herzen weihe und die Sühnekommunion am ersten Samstag des Monats einführe. Wenn man meine Bitten erfüllt, wird sich Rußland bekehren und es wird Friede sein. Wenn nicht, so wird eine glaubensfeindliche Propaganda in der Welt ihre Irrtümer verbreiten, wird Kriege und Verfolgungen der Kirche hervorrufen; viele Gute werden gemartert werden; der Heilige Vater wird viel zu leiden haben; mehrere Nationen werden vernichtet werden“, doch „am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren!“ (a.a.O., S. 41f.).
„Es ist interessant, zu vernehmen, daß Jacinta stets den künftigen Krieg vor Augen zu haben schien; im Januar-Februar 1920 sagte sie oft: ‚Wenn sich die Menschen nicht bessern, wird der Herr die Welt strafen wie noch nie; zuerst Spanien’; und sie sprach von ‚großen Weltereignissen, die gegen das Jahr 1940 eintreten würden’ (So berichtet uns die Oberin des Waisenhauses, die Jacinta in ihrer Todeskrankheit aufnahm, in Briefen vom 19. und 30. November 1939)“ (a.a.O., S. 43). (Jacinta und ihr Bruder Francisco waren am 23. Dezember 1918 an der „Spanischen Krankheit“ erkrankt, deren Folgen sie nach mehreren Monaten erlagen und somit, wie es Maria ihnen vorhergesagt hatte, bald zu ihr in den Himmel kommen durften).
„Lucia hat erklärt, daß sie zwei große Bestandteile des ‚Geheimnisses’ (die Höllenschau und die Voraussage des Krieges) geoffenbart habe, aber dass ein Drittes noch der Mitteilung vorbehalten bleibe… Einstweilen wissen wir nur, daß Maria an die Weihe der Welt die Verheißung knüpfte, daß sich Rußland bekehren und der Welt eine Periode des Friedens geschenkt werde. Portugal werde den Glauben bewahren“ (a.a.O., s. 42f.). Wörtlich heißt es: „In Portugal wird das Dogma des Glaubens bewahrt bleiben“, eine recht auffällige Formulierung, die Maria hier an kleine Kinder gerichtet hat! War es ein Hinweis darauf, dass nicht die apostolische Glaubenspraxis (also die Liturgie usw.), sondern nur die Glaubenslehre im Volk erhalten bleibt, und dass in vielen anderen Ländern auch die rechte Glaubenslehre verloren gehen wird?
„Die Erscheinung schloß: ‚Sagt niemandem davon…’ Etwas später fügte sie hinzu: ‚Wenn ihr den Rosenkranz betet, sagt am Ende jedes Gesetzleins: O mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden; bewahre uns vor dem Feuer der Hölle; führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen’“ (a.a.O. , S. 43).
„Wie berichtet wird, hat Sr. Lucia im Auftrag des Bischofs von Leirìa … den dritten Teil des Geheimnisses … aufgeschrieben und das Schriftstück dem Bischof … anvertraut, der es versiegelte und aufbewahrt bis zu dem Zeitpunkt, wo die Eröffnung erfolgen darf … Lucia hat überdies mitgeteilt, daß das Geheimnis nicht vor 1960 publiziert werden soll. Als sie gefragt wurde, warum …, antwortete sie schlicht und einfach: ‚Weil es die Jungfrau nicht will!’“ (a.a.O., S. 44).
Nach der vatikanischen „Veröffentlichung des dritten Geheimnisses“ im Jahre 2000 soll Lucia merkwürdiger Weise jedoch gesagt haben, nicht Maria, sondern sie selbst habe aus eigenem Dafürhalten das Jahr 1960 als Zeitpunkt für die mögliche Veröffentlichung angegeben. Falls die Kinder von Maria den Auftrag der Geheimhaltung erhalten haben, so erscheint dies aber kaum vorstellbar, ebenso wie auch die offizielle „Interpretation“ des damals veröffentlichten Textes durch den damaligen „Kard. Ratzinger“, welche die Erfüllung des Geheimnisses im (missglückten) Attentat auf Joh.Paul II. 1981 sieht, im damals veröffentlichten Text des „Geheimnisses“ aber von der Ermordung eines Bischofs in Weiß und vieler Priester und Gläubiger die Rede war. Vor dieser Veröffentlichung wurde das Geheimnis außerdem stets von denen, die es gelesen hatten, als den Glauben der ganzen Kirche betreffend dargestellt, jetzt aber wurde es plötzlich als nicht mehr so wichtig und bereits als der Vergangenheit angehörig heruntergespielt? Fragen blieben auch bezüglich des Unterschieds in der Art und der Anzahl der Zettel, die veröffentlicht wurden und von denen in früheren Zeugnissen zur Niederschrift Lucias die Rede gewesen war. Und warum hatte man überhaupt so lange gezögert, das Geheimnis bekannt zu machen?
Das Versprechen Mariens, im Oktober 1917 ein Wunder zur Bestätigung der Erscheinungen zu wirken, war für die Seher ein Trost, für ihre Familien, die sich nicht sicher waren, ob das, was die Kinder erzählten, wirklich vom Himmel kam, aber auch ein Grund zu großen und ernsthaften Befürchtungen. Denn nicht nur die Zeitungen, auch die damals freidenkerisch geprägte Politik (der Bezirksvorsteher hatte die Kinder bereits im August für mehrere Tage festgenommen und sogar ins Gefängnis gesteckt) warteten nur darauf, die Kinder der Lüge zu überführen und damit die katholischen Gläubigen, die ja in großen Massen nach Fatima gepilgert waren, lächerlich zu machen. Viele drohten den Kindern und ihren Familien, dass sie Schlimmes zu erwarten hätten, auch von den enttäuschten Massen, wenn dieses angekündigte Wunder nicht geschehen sollte! Es wurde auch vom Eingreifen der Regierung gesprochen, ja selbst von geplanten Bombenanschlägen bei der nächsten Erscheinung. Die Eltern waren vor dem 13. Oktober in großer Sorge, ob sie ihre Kinder vor den Gefahren überhaupt schützen könnten und ob sie die Kinder denn wirklich an diesem Tag zur Erscheinungsstätte gehen lassen sollten. Es bedrängte sie auch die Frage, wie sie sich selbst in Bezug auf die Erscheinungen verhalten sollten.
Angesichts der Aufmerksamkeit der Medien, welche die Erscheinungen erlangt hatte, und der riesigen Menschenmenge, die am 13.Oktober das angekündigte Wunder sehen wollte, aber auch angesichts des Spottes, der sich schon im Vorhinein über dieses angekündigte Wunder ergoss, und der feindseligen Haltung in Verwaltung und Regierung des Landes, waren diese Sorgen mehr als verständlich.
Doch die Kinder blieben ruhig und beherzt, voll Vertrauen, dass die „Dame“ ihr Versprechen erfüllen würde. Und „schon in den frühesten Morgenstunden des 12. setzte aus den entferntesten Teilen Portugals der Zustrom gegen Fatima ein. Am Nachmittag waren die Straßen, die gegen die Cova da Iria führten, überfüllt mit Fahrzeugen jeder Art und Gruppen von Fußgängern, von denen viele barfuß, den Rosenkranz betend, dahinschritten… Der 13. Oktober war ein kalter, trüber und regnerischer Tag. Doch … die Leute kamen aus der Umgebung und … aus den entferntesten Städten …, aus Porto, Coimbra, Lissabon, von wo auch die bedeutendsten Zeitungen ihre Berichterstatter entsandt hatten. Der anhaltende Regen hatte die Cova da Iria in eine riesige Schmutzpfütze verwandelt und durchnäßte die Wartenden bis auf die Knochen. Gleichwohl waren gegen ½ 12 mehr als 50 000 – nach anderen Angaben über 60 000 – Personen an dem Ort versammelt … Kurz vor dem Mittag kamen die Hirtenkinder an … Die Menge machte ihnen ehrfurchtsvoll Platz und sie gingen in Begleitung ihrer angsterfüllten Mütter zu dem Baum, von dem nichts mehr übrig geblieben war als der Stamm … Nun hieß Lucia die Leute die Schirme schließen … man betete den Rosenkranz. Es war genau Mittag, als Lucia … rief: ‚Da ist sie!’ … die ‚Anwesenden sahen, wie sich eine weiße Wolke um die Seher bildete, die dann … etwa 5, 6 Meter aufstieg … wie Weihrauch. Lucia wiederholte … ihre Frage: ‚Wer seid Ihr und was wollt Ihr von mir?’
Und die Erscheinung antwortete nun endlich, sie sei die Rosenkranzkönigin und wolle, daß man an diesem Orte eine Kapelle zu ihrer Ehre errichte; sie empfahl zum sechstenmal, man solle fortfahren, alle Tage den Rosenkranz zu beten … der Krieg gehe dem Ende entgegen und die Soldaten würden bald heimkehren …Dann kam sie … wieder auf den Hauptpunkt ihrer Botschaft zurück: ‚Die Leute sollen sich bessern und um Verzeihung ihrer Sünden bitten … Sie sollen den Herrn nicht mehr beleidigen, der schon zu viel beleidigt wurde!’ … Lucia gibt dazu folgende Erklärung: … Welch liebevoller Klang lag doch in jener innigen Bitte! O wie wünschte ich, daß die ganze Welt, daß alle Kinder der Himmelsmutter ihre Stimme hörten!’“ (a.a.o. S. 31ff.).
Lucia berichtet später, dass dann auch der Heiland und der hl. Josef erschienen sind: „Zuerst habe ich die Rosenkranzkönigin gesehen, den heiligen Josef und das Jesuskind, dann den Heiland allein, dann Maria vom Berge Karmel“ (a.a.O., S. 93). „Der Heiland ist erschienen und hat das Volk gesegnet“ (ebd.).
Da rief Lucia. „Schau, die Sonne!“ „Der Regen hörte plötzlich auf, die Wolken zerrissen … Mit einem Mal begann die Sonne mit ungeheurer Geschwindigkeit … um sich selbst zu kreisen, gelbe, grüne, rote, blaue und violette Strahlenbündel werfend, die Wolken, Bäume, Felsen, Erde und die ungeheuere Menge in phantastische Farben tauchten“ (a.a.O. S. 84). Dies geschah dreimal. „Plötzlich hatten alle den Eindruck, als löse sich die Sonne vom Firmament und eile auf sie zu … Und die Leute warfen sich in den Schlamm auf die Knie und beteten laut einen Reueakt. Die Erschütterung war unbeschreiblich … Dieses Schauspiel dauerte gut zehn Minuten. Es wurde von ca. 70 000 Personen gesehen, von Gläubigen und Ungläubigen, einfachen Bauern und gebildeten Städtern, Wissenschaftlern, Journalisten; und sie erlebten das Wunder ohne irgend welche Vorbereitung … Sie sahen die gleichen Phänomene, in den gleichen, deutlich unterscheidbaren Phasen, zur selben Zeit, an dem Tag und zu der Stunde, für die das Wunder seit Monaten versprochen und angekündigt war.
Außerdem entnimmt man dem Prozeß, daß das Wunder auch von Personen beobachtet wurde, die fünf und mehr Kilometer vom Ort der Erscheinungen entfernt waren und darum keinerlei Suggestion unterliegen konnten … Noch ein anderer Umstand … verdient Erwähnung … Nach dem Sonnenwunder waren zur allgemeinen Überraschung die Kleider, die eben noch ganz durchnäßt gewesen waren, vollständig trocken“ (a.a.O. S. 85).
Ein Universitätsprofessor von Coimbra, Dr. Almeida Garrete, sagte aus, dass diese Erscheinung „keine Spur von Ähnlichkeit mit der Sonne“ hatte, „wie sie aussieht, wenn sie durch eine Nebelwand scheint; die Sonnenscheibe war nicht undeutlich oder irgendwie verschleiert, sondern hob sich klar von ihrem Hintergrund und ihrem Umkreis ab. Diese bunte und leuchtende Scheibe schien in rasender Bewegung“ (a.a.O., S. 89). Und alle konnten ohne Schutz die Sonne schauen.
Es ereigneten sich bei der Erscheinung und danach auch auffallende Heilungen, sowie zahlreiche Bekehrungen. Die Begeisterung, aber auch die Zudringlichkeit der Menschen an diesem Tag den Seherkindern gegenüber, kannte fast keine Grenzen: „’Ich erinnere mich gut’, schreibt Lucia, ‚dass ich an jenem Tag ohne meine langen Zöpfe heimkam, und ich sehe noch den Ärger meiner Mutter, als sie bemerkte, daß meine Haare kürzer waren als die Franciscos’. Nicht nur das Kopftuch war in dem Gedränge verschwunden, sondern sogar die Haare hatten unvernünftige Leute in ihrer Begeisterung abgeschnitten“ (a.a.O., S. 92).
Und obwohl Freimaurer und Kirchenfeinde, die damals auch politisch mächtig waren, auch weiterhin gegen Fatima hetzten, ja dort sogar vor Zerstörungen und Spott-Prozessionen nicht zurückschreckten, setzte sich die religiöse Begeisterung fort. Am 13. Oktober 1930 konnte schließlich nach jahrelanger, gründlicher Prüfung aller Fakten und Ereignisse vor mehr als 100000 Pilgern ein Hirtenbrief des Bischofs veröffentlicht werden, der, bestärkt durch die Ergebnisse einer eigens eingesetzten wissenschaftlichen Untersuchungskommission, „die Erscheinungen in der Cova da Iria vom 13. Mai bis zum Oktober 1917 als glaubwürdig erklärte und die öffentliche Verehrung Unserer Lieben Frau von Fatima gestattete“ (a.a.O., S. 183).
Und noch etwas Bemerkenswertes ereignete sich an der Erscheinungsstätte: Besonders in den Sommermonaten wäre der Wassermangel auf jenen Feldern (die auf einem Kalkuntergrund lagen, wo niemand bisher auch nur die kleinste Quelle entdeckt hatte) für die Pilgermassen ein großes Problem geworden. Als man deshalb an der Erscheinungsstelle eine Zisterne anlegen wollte, um Regenwasser zu sammeln, stieß man beim Anheben der ersten Steine auf eine Wasserader, die gefasst werden konnte, so dass nun dort unzählige Hähne auf wunderbare Weise Wasser spenden! Auch dafür wurde somit vom Himmel her gesorgt.
Als im Jahre 1936 auf der iberischen Halbinsel eine Revolution entfacht werden sollte, die dann im Juli in Spanien auch ausbrach, hatten die portugiesischen Bischöfe schon am 13. Mai ein Gelübde abgelegt, „eine feierliche Landeswallfahrt nach Fatima zu veranstalten … und die Weihe des ganzen Landes an das Unbefleckte Herz Mariens zu erneuern“ (a.a.O., s. 185). Portugal wurde in den Spanischen Bürgerkrieg trotz Attentaten und anderen Anstrengungen nicht hineingezogen, und am 13. Mai 1938 konnte die Dankwallfahrt von einer halben Million Menschen, mit denen sich die vielen Zurückgebliebenen in den Pfarreien vereinigten, abgehalten und die feierliche Weihe erneuert werden.
Die Besinnung auf die Bitten Mariens von damals soll auch uns heute wachrütteln, zu fragen, was Gott von uns will und welche Mittel wir in der Not unserer Tage ergreifen müssen. Die Kinder von Fatima hat jedenfalls das Geschaute nicht mehr losgelassen und zu rührenden Heldentaten des Opfers im Alltag für die Bekehrung der Sünder und für die Not der Kirche bewegt.
So wollen auch wir in der Not unserer Tage unsere Zuflucht zum Himmel nehmen, vor allem im täglichen Rosenkranzgebet, das uns schon seit langer Zeit von der Kirche als tägliche Betrachtung empfohlen und das auch Maria ausdrücklich gewünscht hat, sie, die eigens vom Himmel herabgestiegen ist, um die Welt und die Kirche vor den kommenden großen Züchtigungen zu bewahren und zur Buße und zum Gebete aufzurufen! Wenn wir in unsere Welt heute blicken, erahnen wir, welche Heimsuchungen über die Kirche Gottes in den letzten Jahren schon hereingebrochen sind, was alles noch auf uns zukommen kann und wie sehr wir dieser Gesinnung des Gebets und der Buße zu unserem Wohl und zum Wohle der ganzen Kirche bedürfen!
Im Heiligen Geist wird auch die Kirche, die heute eine große Trübsal und oft scheinbar unbezwingbare Prüfungen erduldet, den Sieg über all ihre Feinde erringen! Möge unsere liebe himmlische Mutter uns besonders diese Gnaden des Heiligen Geistes erflehen, um Jesus auf Seinem Kreuzweg zum Heile der Menschen nachfolgen zu können, um von Seinem Geiste erleuchtet klar zu sehen, im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe stark und standhaft zu bleiben und mit Ihm einst Anteil an Seiner Herrlichkeit zu gewinnen, besonders aber auch um der Sünder nicht zu vergessen, zu denen wir ja auch selbst gehören, die aber auch die Fürsprache und die Hilfe der Gläubigen brauchen, um den Weg des Heils finden und gehen zu können, wie es Maria von uns in Fatima erfleht hat!

Thomas Ehrenberger

 

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